8th Februar, 2024

Gemeinsame Presseerklärung der Verteidigung im Strafverfahren gegen Kenan Ayas – Oberlandesgericht Hamburg lehnt es ab, sich mit Erdoğans Einfluss auf den Fall Kenan Ayas zu befassen

Die Verteidigung hat heute im Namen von Kenan Ayas einen Antrag auf Ablehnung der drei Richter wegen Befangenheit gegen Kenan Ayas gestellt.

 

Die Verteidigung hatte keine andere Wahl, als diesen außerordentlichen Antrag zu stellen, da das Gericht durch die Ablehnung des Antrags der Verteidigung Voreingenommenheit gegenüber Kenan Ayas gezeigt hat. Die Verteidigung hatte beantragt, dass der Zeitungsartikel, in dem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit einer Erklärung über den Prozess gegen Kenan Ayas zitiert wird, als Beweismittel angesehen und vor Gericht verlesen wird.

 

Die bekannte Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte Erdoğans Äußerungen in einem am 19. November veröffentlichten Artikel wie folgt zusammengefasst: „Der Besuch in der deutschen Hauptstadt habe ‚ein neues Kapitel in unseren tiefen Beziehungen aufgeschlagen‘, sagte Erdoğan. Er zeigte sich erfreut über einen Strafprozess vor dem Hamburger Oberlandesgericht gegen einen mutmaßlichen Funktionär der kurdischen Terrorgruppe PKK. Der Mann war in Zypern festgenommen und auf Initiative der Bundesanwaltschaft nach Deutschland ausgeliefert worden.“ (Siehe die Pressemitteilung der Verteidigung vom 30. November 2023).

 

Das Gericht lehnte den Antrag zum zweiten Mal mit der Begründung ab, dass die Aussage von Erdoğan keinen Bezug zum Fall Kenan Ayas habe. Εs war das zweite Mal, dass die Verteidigung das Gericht gebeten hatte, diesen Artikel als Teil des Beweismaterials zuzulassen. Die Verteidigung hatte argumentiert, dass Erdoğans Äußerungen zeigten, dass die Auslieferung und der Prozess gegen Kenan Ayas im Interesse der Türkei sei und dass Kenan Ayas nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Gefahr sein könnte, da der türkische Geheimdienst bekanntermaßen außerhalb der Türkei operiere. In Bezug auf beide Anträge lehnte die Staatsanwaltschaft den Antrag nicht ab, sondern unterstützte ihn mit der Begründung, dass ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen dem Artikel und dem Prozess bestehe.

 

Trotz der Erklärung der Staatsanwaltschaft zeigten die Richter ihre Entschlossenheit, sich nicht mit dem türkischen Einfluss auf den Prozess zu befassen. Die Richter haben stets versucht, alles aus dem Prozess herauszuhalten, was auf den politischen Charakter des Auslieferungsersuchens für Kenan Ayas und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe hinweisen könnte.

 

Nun muss eine andere Kammer des Hamburger Oberlandesgerichts über den Antrag auf Ablehnung der Richter entscheiden. Bis zu dieser Entscheidung wird der Prozess wie geplant fortgesetzt.

 

Hamburg/Frankfurt/Nicosia, 8. Februar 2024

 

 

Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, Berlin

Rechtsanwalt Stephan Kuhn, Frankfurt am Main

Rechtsanwalt Efstathios C. Efstathiou, Nikosia, Zypern

 

Der FAZ-Artikel „Rückkehr in die Türkei: Erdoğan nennt Scholz den ‚Anderen'“ vom 19. November 2023 finden Sie hier: https://www.faz.net/aktuell/politik/rueckkehr-in-die-tuerkei-so-sieht-erdogan-seinen-besuch-in-berlin-19324031.html

https://www.faz.net/aktuell/politik/rueckkehr-in-die-tuerkei-so-sieht-erdogan-seinen-besuch-in-berlin-19324031.html